Redebeitrag

des Stadtverordneten Hartmut Bohrer in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 13. Juli 2023 zur TOI-TOP9: „Ostfeld – Akzeptanzmanagement jetzt!“

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

auf Antrag der Fraktionen CDU und FDP sollten wir uns bereits in den letzten beiden Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung mit dem "Akzeptanzmanagement" für eine Bebauung im Landschaftsschutzgebiet Ostfeld/Kalkofen beschäftigen. Dies geschieht aus dem Hintergrund, dass die vor einigen Jahren "auf den Weg gebrachte" Planung für eine massive Bebauung in den Gemarkungen Mainz-Kastel und Erbenheim auf immer geringere Akzeptanz stößt.

Begründet wird die geplante Bebauung mit einer zu erwartenden deutlichen Zunahme der Bevölkerung in Wiesbaden und einem daraus resultierenden Bedarf. Zu dieser nachweislich falschen, zumindest überholten Annahme wird meine Kollegin Brigitte Forßbohm etwas sagen.

Für DIE LINKE.Stadtfraktion möchte ich das bekräftigen, was wir hier von Anbeginn an vorgetragen und auch in der letzten Sitzung erklärt haben: Die kostspieligen, umweltschädlichen und sozialpolitisch abwegigen Planungen müssen sofort eingestellt werden. Mehr als fünf Millionen Euro wurden dafür bereits ausgegeben, Hunderttausende für "Rechtsberatung" und "Öffentlichtlichkeitsarbeit". Weitere Millionen sollen jetzt folgen.

Die geplante Bebauung ignoriert völlig die Lebenssituation der Menschen in unserer Stadt. Die Leugnung des Klimawandels und dessen Folgen wirken lächerlich angesichts der unzähligen wissenschaftlichen Studien die ihn belegen. Und wir spüren jetzt alle, am eigenen Körper, was er bedeutet. Und dabei ist dies nur die bittere "Kostprobe". Auch im Jahr 2023 haben wir Rekordwerte bei Temperatur, Dürre und Unwetterereignissen zu erwarten – auf unserem Planeten insgesamt und auch in Wiesbaden. Selbst wenn die zögerlich ergriffenen Gegenmaßnahmen greifen sollten, wird sich die Situation in den nächsten Jahren verschlimmern. Und es wird besonders die hart treffen, die nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, auch nur ansatzweise etwas dagegen zu setzen, um nicht zu erkranken oder früher zu sterben.

Angesichts dieser Situation und Perspektive wird von einer Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung weiter daran festgehalten, Grünflächen und landwirtschaftlich genutzte Flächen zu bebauen, Flächen, von denen bereits jetzt gutachterlich, amtlich, wissenschaftlich fundiert, festgestellt wurde, dass sie von Bebauung freizuhalten sind, weil sie für die nächtliche Kaltluftproduktion und -zufuhr in die eng bebauten, überhitzten Stadtquartiere unverzichtbar sind.

Mit diesen klimatisch unverzichtbaren Flächen würden auch wertvolle Flächen der regionalen Landwirtschaft und des Gartenbaus unwiderbringlich verloren gehen. Diejeneigen, die sich stets als wirtschaftsfreundlich darstellen, scheint es nicht zu kümmern, wenn die einheimische Landwirtschaft

massiv geschädigt wird und Landwirte und Gartenbaubetriebe zur Aufgabe ihrer Wirtschaftsbetriebe gezwungen werden.

Immer noch wird uns entgegen gehalten: Aber ihr seid doch für preiswerte Wohnungen, für mehr geförderte Wohnungen für den zunehmenden Teil der Wiesbadener Stadtbevölkerung, der darauf angewiesen ist.

Dabei wird weiterhin vertuscht, dass im Plangebiet Ostfeld nicht preiswerte Wohnungen entstehen werden. Hunderte Millionen von Euro müssten dort investiert werden, da dort jegliche Infrastruktur fehlt. Nicht nur mehrere weiterführende Schulen und Gundschulen, Kindertagesstätten und Gemeinschaftseinrichtungen müssten finanziert werden. Das Entscheidende ist: Diese Investititionen können nicht durch den Verkauf der Grundstücke refinanziert werden, sondern sie hinterlassen ein Loch in der Stadtkasse in dreistelliger Millionenhöhe.

Das wissen auch alle Stadtverordnete, hoffentlich; denn die Berechnungen der beauftragten stadteigenen Gesellschaft SEG weisen dies aus. Dabei kalkuliert die SEG in ihrer jüngsten, Ende des vorigen Jahres vorgelegten Kalkulation mit einer durchschnittlichen Baukostensteigerung von 2 1/4 Prozent und einem durchschnittlichen Darlehenssatz von 2 Prozent pro Jahr. Legt man realistischere Annahmen zu Grunde, kommt man auf ein viel höheres Defizit, das von der Stadt zu tragen ist. Dabei sind die Kosten einer Schienenanbindung gar nicht erfasst und ist es auch völlig unsicher, ob die laufenden juristischen Auseinandersetzungen das Recht schaffen, die Grundstückseigentümer mit den vorgesehenen geringen Entschädigungen enteignen zu können.

Ein klimafeindliches, umweltschädliches, sündhaft teures Projekt, das die städtischen Finanzmittel raubt, die dringend für die Stabilisierung des Haushalts, für die Schaffung von gefördertem Wohnraum und anderen Maßnahmen gebraucht werden, gehört sofort beendet und nicht "vorangebracht", wie dies mit dem Antrag von CDU, FDP, SPD und Volt beabsichtigt ist.

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