Redebeitrag

des Stadtverordneten Ingo von Seemen  in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am

07. Februar 2024 zum Thema “Handwerk trifft Innovation: Erarbeitung einer Wiesbadener “Handwerksagenda 2030”:

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Zuhörer*innen,

Handwerk hat goldenen Boden. Denn gebaut, gedämmt, repariert und instand gehalten wird immer. Handwerker*innen sind seit der Sesshaftwerdung der Menschheit vor ca. 14.000 Jahren ein Teil unserer Gesellschaftsstruktur. Also etwa 13.700 Jahre länger als es der Kapitalismus ist. 

Die Rahmenbedingungen für das Handwerk haben sich in den letzten 14.000 Jahren stetig geändert. Von Universalisten zu Spezialisten, von Zünften zu Kammern und von Knechten zu Meistern.

Während im Feudalismus der Handwerksberuf von dem Vater auf den Sohn übertragen wurde, ist die Nachwuchskräftegewinnung heute nicht mehr so klar geregelt. Durch die seit Jahrzehnten niedrigen Geburtenzahlen und die Tendenz junger Menschen ein Hochschulstudium zu beginnen, fällt es dem Handwerk zunehmend schwer Nachwuchs zu finden.

Während die Zünfte im vorkapitalistischen Staat darauf achteten, dass nicht zu viel Konkurrenz entstand und nur Meister einen Betrieb eröffnen dürfen, gibt es heute kaum noch eine Kontrolle darüber, wer am Markt tätig wird. Auf Baustellen und im Reinigungsgewerbe ist durch Subunternehmen und Sub-Subunternehmen oft nicht einmal klar, wer gerade wo tätig ist. Die Folge fehlender Kontrollen ist auch ein mangelnder Arbeitsschutz für die Beschäftigten.

Schwarzarbeit macht den ehrlichen Handwerker*innen zu schaffen. Denn gerade in öffentlichen Ausschreibungen werden Preise angeboten, die für tariftreue Unternehmen nicht zu halten sind.

Während die Forderung „Zurück zu den Zünften“ vielleicht noch einen gewissen Charme hat, ist die Wiedereinführung des Vater-Sohn-Prinzips wohl etwas aus der Zeit gefallen.

Es braucht moderne Lösungen für die Probleme, die das kapitalistische System verursacht hat.

Durch Kriege, die mit deutschen Waffen geführt werden, müssen jedes Jahr mehrere Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Durch den fortschreitenden Klimawandel, verursacht von den westlichen Industrienationen, werden ganze Landstriche entvölkert, weil die Wüsten sich ausbreiten, Ernten unter der sengenden Hitze verdorren oder Hurrikans große Gebiete verheeren.

Ein Bruchteil der Geflüchteten findet in Deutschland Schutz. Es ist nicht nur unsere ethische Verpflichtung, diesen Menschen zu helfen, sie sind Teil der Lösung, wenn es um den Mangel an Fachkräften geht. Statt sie jahrelang in Asylunterkünften einzusperren und ihnen Arbeitsverbote aufzuerlegen, könnten sie ausgebildet werden. Das würde auch die Integration deutlich erleichtern. Wohnmöglichkeiten wie ein Azubi-Wohnheim können dazu auch einen Beitrag leisten.

Diese und weitere Themen wollen wir gemeinsam mit dem Handwerk besprechen.

Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. 

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