Redebeitrag

des Stadtverordneten Ingo von Seemen  in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 21. März 2024 zum Thema: “Wasserverbrauchssteuer aufheben”:

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Kolleg*innen,

 

wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Und in so einem Staat ist es üblich, dass verschiedene Akteur*innen unterschiedliche Rechtsauffassungen haben können.

Während das städtische Rechtsamt von der Rechtmäßigkeit der Wasserverbrauchssteuer überzeugt ist, hat das CDU-geführte Innenministerium nach Beschwerde der CDU-Rathausfraktion eine andere Meinung.

Inwiefern bei der Meinungsfindung der Kommunalaufsicht rechtliche Argumente und inwiefern politische Argumente der Parteifreunde handlungsleitend waren, ist mir unbekannt.

Am Ende wird, wie in einem demokratischen Rechtsstaat üblich, ein Gericht entscheiden müssen, sollten sich die Akteure nicht außergerichtlich einigen können.

Diesem Vorgang sehe ich gelassen entgegen. Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist groß und wurde bisher nicht enttäuscht.

Nicht gelassen sehe ich allerdings zwei Trends, die sich in Deutschland und in Wiesbaden verfestigen.

Das Eine ist das immer stärker sinkende Vertrauen der Bürger*innen in demokratische Prozesse und Institutionen. Die Auslöser dafür sind vielfältig. Verfahren dauern zu lange, staatliche Schreiben sind oft unverständlich, die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich und viele mehr.

Einen dieser Auslöser kann man aber auch hier im Stadtparlament beobachten. Denn hier werden von den rechten Parteien immer wieder Zweifel an der rechtsstaatlichen Legitimität von Entscheidungen laut. Völlig normale Anträge zur Geschäftsordnung werden als „undemokratisch“ bezeichnet. Sogar der Stadtverordnetenvorsteher hat in einer Sitzung die geltende Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung nicht durchsetzen wollen.

Auch ein völlig normaler Konflikt zwischen Kommune und Kommunalaufsicht wird hier von der rechten Seite des Hauses als „Rechtsbruch“ aufgebauscht.

Daher rufe ich die rechten Parteien hier im Parlament zu deutlich mehr Zurückhaltung auf. Vertrauen sie auf den Rechtsstaat und seine Institutionen. Es reicht wirklich, wenn die rechtsradikale AfD das Vertrauen in die demokratischen Institutionen untergräbt. Seien sie mit uns gemeinsam Verteidiger des Rechtsstaates und der Demokratie.

Der zweite gefährliche Trend ist die immer weiter voranschreitende Schwächung der Kommunen. Wir Kommunen bekommen immer mehr Aufgaben von Bund und Land. Aber wir bekommen keine auskömmliche Finanzierung, um diese zu erfüllen. Die Folgen sind für alle Bürger*innen direkt spürbar. Neun Monate, bis ein Wohngeldantrag bearbeitet wird, zu wenige Jugendzentren, lange Wartezeiten bei Hilfseinrichtungen wie der Suchthilfe, überlastete Ämter usw. Das führt zu Frust und letztendlich zu einem Vertrauensverlust in das demokratische System.

Neben der Ausgabenseite kommt jetzt noch erschwerend hinzu, dass die Kommunalaufsicht uns in den Möglichkeiten der politischen Steuerung und der Erhebung von Abgaben beschränken möchte.

Dieser Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung ist nicht hinnehmbar.

Sollte die Abgabe nicht rechtens sein, hat in einem Rechtsstaat jede Bürger*in die Möglichkeit, Beschwerde und Klage zu erheben. Gerichte klären dann den Fall.  Das die Kommunalaufsicht dem aber nun vorgreifen möchte halte ich nicht für sinnvoll.

Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, ihre vielfältigen Aufgaben zu erfüllen. Die Landes- und Bundespolitik sollte hier nicht hemmend, sondern fördernd wirken. Denn wir sind ein Grundpfeiler des demokratischen Gemeinwesens.

In diesem Sinne werden wir den Antrag von CDU und FDP ablehnen.

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